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Veröffentlicht
27.10.2025
Lesedauer
5 Minuten
 
 

Ein Beschäftigungsverbot während der Stillzeit als „Sparmodell“?

Regelungen für den Mutterschutz bestmöglich in der Praxis berücksichtigen

Wenn stillende angestellte Zahnärztinnen, ZFA oder weitere Angestellte nach der Geburt ihrer Kinder nicht gleich wieder in die Praxis zurückkehren möchten, können sie und ihre Arbeitgeber dies mittels Mutterschutzlohn für alle Seiten finanziell vorteilhaft gestalten: Das Einkommen ist in diesem Fall höher als Elterngeld. Und der Praxisinhaber kann das Gehalt von der Krankenkasse erstattet verlangen. Voraussetzung hierfür ist, dass er (rechtssicher!) ein Beschäftigungsverbot verhängt hat.

Praxisorganisation und -steuerung
Recht und Verträge
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Mutterschutzlohn nach der Mutterschutzfrist

Acht Wochen nach der Entbindung darf eine Mutter nicht arbeiten. Bei Früh- und Mehrlingsgeburten sind es zwölf Wochen – ebenso, wenn innerhalb von acht Wochen nach der Entbindung beim Neugeborenen eine Behinderung festgestellt wird. Während dieser Mutterschutzfrist besteht ein Beschäftigungsverbot. In dieser Zeit hat die Arbeitnehmerin Anspruch auf Mutterschaftsgeld, das ihrem Durchschnittsverdienst des letzten Quartals entspricht. Dabei zahlt die Krankenkasse höchstens 13 Euro pro Tag und der Arbeitgeber 
leistet einen Zuschuss.

Nach der Mutterschutzfrist gehen viele Mütter in Elternzeit und beziehen dann Elterngeld von höchstens 1.800 Euro. Durch die seit dem 01.04.2025 erneut verminderten Einkommensgrenzen entfällt für viele Zahnärztinnen und Kieferorthopädinnen der Anspruch auf vorgenanntes Elterngeld, wenn das zu versteuernde Einkommen im „Besserverdienerbereich“ entsprechend hoch ist.

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Mutterschutzlohn nach einem Beschäftigungsverbot

Angestellte Zahnärztinnen, ZFA und weitere Praxisangestellte können jedoch ggf. die deutlich lukrativere Alternative des Mutterschutzlohns für sich nutzen: Wenn sie ihr Kind stillen, kann ihr Arbeitgeber ein Beschäftigungsverbot während der Stillzeit verhängen. Dazu muss er prüfen, ob eine Weiterbeschäftigung möglich ist, und diese Frage muss er gemäß § 2 Mutterschutzgesetz (MuSchG) verneinen. Als Mutterschutzlohn wird das durchschnittliche Arbeitsentgelt der letzten drei abgerechneten Kalendermonate vor dem Eintritt der Schwangerschaft gezahlt (§ 18 MuSchG).

Der Arbeitgeber hat hierbei zwar einen gewissen Verwaltungsaufwand, er kann sich aber das weitergezahlte Gehalt im Rahmen der Entgeltfortzahlungsversicherung (Umlage 2) von der Krankenkasse erstatten lassen (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 Aufwendungsausgleichsgesetz = AAG).

Abbildung Maßnahmen Beschäftigungsverbot
Beurteilung zur Weiterbildung nach dem Mutterschutzgesetz
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Voraussetzungen für ein Beschäftigungsverbot

Wer als Praxisinhaber gegenüber seinen Angestellten ein Beschäftigungsverbot während der Stillzeit aussprechen möchte, sollte sich vorab unbedingt mit seinen Verpflichtungen vertraut machen. Denn als Arbeitgeber muss er zunächst prüfen, ob er bestimmte Schutzmaßnahmen ergreifen kann. Das Gesetz definiert sogar eine Rangfolge dieser 
Maßnahmen (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 und 2 MuSchG):

  • Arbeitsplatz beurteilen: Liegt eine Gefährdung vor oder nicht?
  • Schutzmaßnahmen ergreifen (Schutzkleidung tragen, Arbeitsbedingungen umgestalten)
  • An einem anderen Arbeitsplatz einsetzen
  • Erst wenn sich beide Optionen (Schutzmaßnahmen oder Arbeitsplatzwechsel) nicht umsetzen lassen, ist ein Beschäftigungsverbot auszusprechen.

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Beispiel: Gefährungsbeurteilung in einer Zahnarztpraxis

Der Praxisinhaber bzw. die Praxisinhaberin muss zunächst die möglichen Gefährdungen nach Art, Ausmaß und Dauer beurteilen, denen seine schwangere oder stillende Mitarbeiterin oder ihr Kind ausgesetzt sind oder sein können. Dazu gehören z. B. Gefährdungen der stillenden Mitarbeiterin beim Kontakt mit Blut und Speichel oder mögliche Stich-/Schnittverletzungen. Falls keine wirksamen Schutzmaßnahmen möglich sind, ist zu prüfen, ob die Mitarbeiterin – gefahrlos – an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz (bzw. für die Behandlung anderer Patienten) eingesetzt werden kann (z. B. für Verwaltungs-/Abrechnungstätigkeiten oder die Übernahme von Rezeptionstätigkeiten).

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Risiken für beide Seiten bei falschem Verbot

Sollte sich im Nachhinein herausstellen, dass kein Anspruch nach dem MuSchG auf Lohnfortzahlung bestanden hat, drohen dem Praxisinhaber Regressforderungen der Krankenkasse. Möglicherweise setzt das Gesundheitsamt auch ein Bußgeld fest. Dafür reicht es schon aus, wenn der Arbeitgeber wusste oder hätte wissen müssen, dass der Anspruch nicht bestand.

Das Arbeitsgericht Hagen hat mit Urteil vom 11.09.2024 (Az. 2 Ga 22/24) die Anforderungen an die Anordnung eines Stillbeschäftigungsverbots weiter konkretisiert und verschärft. Besonders hervorzuheben ist, dass das Gericht die Anforderungen an die Nachweisführung deutlich erweitert hat. Die bloße Behauptung einer Gefährdung reicht nicht aus – vielmehr sind konkrete, nachvollziehbare und dokumentierte Schutzmaßnahmen erforderlich.

Wenn ein Beschäftigungsverbot zu Unrecht ausgesprochen wurde, geht auch die stillende Mutter Risiken ein. Der Arbeitgeber kann ihr während der Schwangerschaft, in der Zeit des Mutterschutzes und auch während der Elternzeit zwar nicht kündigen, nach § 17 MuSchG besteht allerding ein Kündigungsschutz nur bis zu vier Monate nach der Entbindung. Falls die Arbeitnehmerin im Anschluss an diese Frist wegen eines zu Unrecht angenommenen Beschäftigungsverbots von der Arbeitsleistung freigestellt worden ist, kann ihr der Praxisinhaber kündigen.

Hinweis: Diese Probleme potenzieren sich, wenn die Mitarbeiterin ihr Kind länger als ein Jahr stillt. Die Krankenkassen erstatten Praxisinhabern das Arbeitsentgelt in der Regel nur bis zu einem Jahr nach der Entbindung (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 AAG). Danach werden die Zahlungen unter Hinweis auf die Vorschrift zur Freistellung der Arbeitnehmerin zum Stillen meistens eingestellt (§ 7 Abs. 2 MuSchG).

Der Arbeitgeber muss stillende Arbeitnehmerinnen für die zum Stillen erforderliche Zeit freistellen. Das Recht auf Stillpausen ist gesetzlich auf ein Jahr nach der Entbindung befristet. Diese Regelung ist allerdings nur für nicht von einem Beschäftigungsverbot betroffene Mütter einschlägig. Sie bedeutet zudem nicht automatisch, dass auch das Beschäftigungsverbot während der Stillzeit nach einem Jahr enden muss. 

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Was Praxisinhaber tun müssen

Nicht erst, wenn angestellte Zahnärztinnen, ZFA oder weitere Praxisangestellte schwanger werden, sollten sich Praxisinhaber mit den wichtigsten Regelungen des MuSchG vertraut machen. Sobald in der Praxis mehr als drei Frauen beschäftigt sind, muss der Gesetzestext übrigens sogar an geeigneter Stelle ausgelegt oder aufgehängt werden (§ 18 MuSchG).

Praxisinhaber müssen sowieso für jeden Arbeitsplatz eine Gefährdungsbeurteilung der Arbeitsbedingungen vornehmen. In diesem Rahmen sind auch mögliche Gefahren für schwangere und stillende Arbeitnehmerinnen zu analysieren. Es ist zu prüfen, ob sich diese durch geeignete Schutzmaßnahmen beseitigen lassen (z. B. Tragen von Schutzkleidung, Umgestaltung von Arbeitsplätzen). Die Mitarbeiterin ist über das Ergebnis zu informieren. Diese Analyse hat zwingend schriftlich zu erfolgen, weil die Aufsichtsbehörde die Gefahrenanalyse auf Wunsch einsehen darf. Oberstes Ziel sollte dabei sein, die Gesundheit von Mutter und Kind bestmöglich zu schützen.

Bei all den genannten Möglichkeiten müssen Sie als verantwortlicher Praxisinhaber die Rechtssicherheit vorab unbedingt überprüfen. Wir können an dieser Stelle nur grundsätzlich mögliche Maßnahmen vorstellen, aber keine pauschalen Empfehlungen aussprechen. Im Fall des Falls raten wir dazu, sich immer direkt an Ihren Steuerberater bzw. Rechtsbeistand zu wenden.

Verfasst von

Claudia Leuteritz
Steuerfachwirtin

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