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Veröffentlicht
12.09.2025
Lesedauer
13 Minuten
 
 

(Zahn)arztpraxis ohne baurechtliche Genehmigung?

Risiken, Folgen und Lösungsansätze

Viele Zahnärzte und Zahnärztinnen möchten sich mit einer eigenen Praxis selbstständig machen. Das kann entweder durch den Kauf einer bestehenden Praxis oder durch die Neugründung erfolgen, wobei in beiden Fällen ein Mietvertrag, sei es durch Vertragsübernahme oder Neuabschluss erfolgen muss. Für eine Praxis werden in beiden Fällen Gewerberäume benötigt, für deren konkrete Nutzung aber die Erteilung einer baurechtlichen Genehmigung als Zahnarztpraxis erforderlich ist. Diese ist nicht nur bauplanungsrechtlich, sondern auch bauordnungsrechtlich z.B. aufgrund der Hygienestandards für eine Praxis und des Brandschutzes im Hinblick auf die Patientensicherheit notwendig.

Praxisgründung und -übernahme
Recht und Verträge
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Einleitung

Immer wieder werden Praxisräume angeboten, die nicht über die erforderliche Baugenehmigung als Zahnarztpraxis verfügen. Die Beantragung einer Baugenehmigung wurde gerade bei Alterspraxen in der Vergangenheit oft „lax“ gehandhabt und hat für den Käufer bei der Übernahme einer Praxis gravierende rechtliche Auswirkungen. Aber auch bei der Neugründung einer Praxis und dem damit verbundenen Kauf oder der damit verbundenen Anmietung der Praxisräume kann die fehlende Baugenehmigung zum Problem werden. Dass eine Baugenehmigung fehlt, wird beim jeweiligen Vertragsschluss leider häufig übersehen.  

Werden im Mietvertrag und /oder Praxiskaufvertrag die Sach- und Rechtsmangelgewährleistung ausgeschlossen, wird ein Rücktritt vom Praxiskaufvertrag oder Praxismietvertrag nur in Ausnahmefällen, z.B. bei Arglist des Verkäufers oder Vermieters, möglich sein. Dem Gründer als Käufer oder Mieter droht dann die Gefahr, dass die zuständige Baubehörde den Praxisbetrieb untersagt. Der Gründer bleibt dann auf hohen Kosten sitzen, eine in vielen Fällen existenzbedrohende Situation.  

Im Folgenden soll daher die Problematik der fehlenden Baugenehmigung ausführlich beleuchtet sowie mögliche Folgen und Lösungsansätze dargestellt werden.   

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Bedeutung einer baurechtlichen Genehmigung

Zur Bedeutung der Baugenehmigung sei auf zwei Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts hingewiesen:  

„Eine Baugenehmigung ist die bauaufsichtliche Erklärung, dass dem beabsichtigten Vorhaben das im Zeitpunkt der Entscheidung geltende öffentliche Recht nicht entgegensteht“ (BVerwG DVBI 1964, 184; BRS 18 Nr. 49)."   

„Gegenstand der Baugenehmigung ist die bauliche Anlage in ihrer durch die Nutzung bestimmten Funktion als Einheit, so dass eine Änderung der festgelegten bzw. vorausgesetzten Nutzung immer eine – grundsätzlich erneut genehmigungs-bedürftige – Funktionsänderung darstellt“ (BVerwGE 47, 185 (188))."   

Aus diesen Entscheidungen folgt, dass es bei der Baugenehmigung um zwei Punkte geht, nämlich um die Frage,

  • ob die Praxis bauplanungsrechtlich in den Räumen betrieben werden darf und
  • ob der Nutzung „feuerpolizeiliche“ und sonstige ordnungsrechtliche Vorschriften entgegenstehen.

Bei der bauplanungsrechtlichen Seite wird z.B. geprüft, ob die Wohnraumzweckentfremdungsverordnung verletzt wird. Bei den sonstigen ordnungsrechtlichen Vorschriften geht es etwa um die Frage, ob u.a. der Brandschutz oder die hygienerechtlichen Vorschriften eingehalten werden. Nach den neueren Vorschriften kann auch ein barrierefreier Zugang zur Praxis erforderlich sein.   

Bauplanung und bauliche Nutzung

Die Baugenehmigung wird erteilt, wenn dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Der Umfang der zu prüfenden Vorschriften orientiert sich am jeweiligen Landesrecht (BVerwGE 99, 351 (353)). Maßgeblich dafür sind das Bauplanungs- und Bauordnungsrecht, da sich anhand dieser die Auswirkungen der Nutzung auf das öffentliche Baurecht, also die Vereinbarkeit mit geltenden Gesetzen, Vorschriften, Plänen, bestimmen lassen. Dies ist auch der Fall bei planmäßigen Um- oder Anbaumaßnahmen einer Praxis. Anhand des Bauleitplans wird die Bebauung der städtischen oder gemeindlichen Fläche festgelegt. Der Flächennutzungsplan stellt dabei einen vorbereitenden Bauleitplan, auf dessen Grundlage der Bebauungsplan als rechtsverbindlich errichtet wird. Der Bauleitplan legt insbesondere die Art der baulichen Nutzung fest.   

Die bauliche Nutzung erfolgt anhand der Baunutzungsverordnung (BauNVO), die die bauliche Nutzung der jeweils festgelegten Gebiete bestimmt, wie bspw. reines Wohngebiet, allgemeines Wohngebiet, Mischgebiet, Gewerbegebiet (vgl. §§ 1 ff. BauNVO). Die BauNVO legt fest in welcher Art und Weise ein Gebiet genutzt werden soll und damit auch, ob der Betrieb von Arztpraxen zulässig ist. 

Nach § 13 BauNVO können in einem Wohngebiet auch mehrere Wohnungen eines Wohnhauses ausschließlich für freie oder ähnliche Berufe genutzt werden, solange die freiberufliche Nutzung nicht mehr als 50% der Wohnfläche des Mehrfamilienhauses in Anspruch nimmt und damit der Wohncharakter des Hauses bewahrt wird. Aber Achtung: Die Regelung gilt nur für freie Berufe, nach Auffassung verschiedener Baubehörden allerdings nicht für Medizinische Versorgungszentren in der Rechtsform einer GmbH, da diese stets gewerblich tätig seien. Daher kann man davon ausgehen, dass der Betrieb einer freiberuflichen Arztpraxis auch in einer Wohnung zulässig sein kann, sofern keine unzumutbaren Belastungen durch erhöhten Publikumsverkehr zu erwarten sind (BGH V ZR 307/16).  

Im Genehmigungsverfahren für Arztpraxen gibt es allerdings mehr zu beachten, als bei der Beantragung von Gewerberäumen die z.B. als Bürofläche genutzt werden sollen. Das zeigt sich schon daran, dass bei einer Arztpraxis, trotz geplanter Gewerbefläche nach Bauleitplan, eine eigene Baugenehmigung eingeholt werden muss. Arztpraxen müssen mit der Arbeitsstättenverordnung konform sein, über gewisse bauliche Hygiene- und Brandschutzstandrads verfügen sowie barrierefrei sein. Zudem müssen medizinische Einrichtungen wie Röntgengeräte oder zahnärztliche Behandlungseinheiten ebenfalls gesondert genehmigt werden. 

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Der Fall: (Zahn)arztpraxis ohne Baugenehmigung

Die Gründe, warum es zum Betrieb einer Praxis ohne Baugenehmigung kommt, sind vielschichtig. So kann dies auf bloßer Unwissenheit von Vermieter oder (Zahn)Arzt beruhen. Oftmals ist ein nachträglicher Umbau ohne Anzeige Auslöser für die fehlende Baugenehmigung. Allerdings schützt Unwissenheit nicht vor folgenden Konsequenzen.   

Baurechtliche Auswirkungen

Eine fehlende Baugenehmigung kann einige schwere Folgen mit sich bringen. Das Bauamt kann entsprechend der Schwere des Verstoßes gem. § 213 BauGB ein Bußgeld in Höhe bis zu 50.000 Euro verhängen. Ist die Erteilung einer baulichen Genehmigung nicht mehr möglich, muss die bauliche Anlage oft abgerissen bzw. zwangszurückgebaut werden vgl. § 82 Abs. 1 BauO NRW. Die hierfür anfallenden Kosten sind vom Bauherrn zu tragen. Sofern ein schwerer Verstoß vorliegt oder es Sicherheitsbedenken gibt kann das Bauamt bis zur rechtlichen Aufklärung zudem ein Nutzungsverbot aussprechen, vgl. § 82 Abs. 2 BauO NRW. Damit dürfen die Räume zunächst nicht mehr genutzt werden. Das Alter der geführten Praxis ist unerheblich, da die Baubehörde auch noch Jahrzehnte nach dem Bau oder Umbau der Anlage tätig werden kann, vgl. § 179 BauGB. Für eine Arztpraxis ohne Baugenehmigung gibt es grundsätzlich auch nach Jahren der Nutzung keinen Bestandschutz.  

Bestandsschutz greift nicht

Bestandschutz ist der Schutz bestehender Gebäude vor nachträglichen Änderungen im Baurecht. Wurde ein Objekt zu seiner Zeit rechtmäßig errichtet, darf es daher grundsätzlich auch weiter genutzt werden, wenn sich baurechtliche Regelungen ändern. War z.B. zum Zeitpunkt der Genehmigung der Praxis keine Barrierefreiheit verpflichtend, so muss dieser Zustand auch in Zukunft nicht hergestellt werden. Wichtig ist aber, dass der Bestandschutz mit einem ungenehmigten Umbau der baulichen Anlage wie z.B. einer Praxis verloren geht. Der Bestandschutz betrifft das Verhältnis zwischen Eigentümer und Bauamt. Mieter haben keinen direkten Anspruch auf Bestandschutz im baurechtlichen Sinne.   

Es gibt in Deutschland allerdings keinen Bestandschutz für Arztpraxen in Bezug auf Hygienevorschriften und Brandschutz, weil diese Vorschriften dem Schutz von Leben und Gesundheit dienen. Dieser Vorrang ist beispielweise den §§ 3 Abs. 1, 14 BauO NRW sowie § 3 BayBO zu entnehmen. Der Brandschutz ist durch das Arbeitsschutzgesetz, Arbeitsstättenverordnung und die technischen Regeln für Arbeitsstätten geregelt. Die Vorschriften gelten unabhängig vom Baujahr der Praxisräume, weshalb das Vorliegen der aktuellen Brandschutzvorschriften regelmäßig bei der Praxisübernahme zu prüfen ist. Auch die Hygienevorgaben (z.B. durch das Infektionsschutzgesetz, RKI-Richtlinien oder Landesverordnungen) sind regelmäßig zu aktualisieren, um neue Risiken zu berücksichtigen. Der Bestandschutz kann daher bei Gesundheitsrisken entfallen, unabhängig vom Alter der Praxis und der Vorschriften, die bei Praxisgründung und Bestandschutzbegründung zu beachten waren.   

Umgang mit baurechtlichen Verstößen

Bei Verstößen wird im Baurecht zwischen „formeller“ und „materieller“ Illegalität unterschieden. Die formelle Illegalität betrifft die verfahrensrechtlichen Anforderungen, wie z.B. den fehlenden Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung, an einem Bauwerk. Die materielle Illegalität hingegen umfasst die Verstöße, die sich gegen inhaltliche Vorgaben des Bauordnungs- und Bauplanungsrecht richten. Ein gutes Beispiel ist hier zum Beispiel das Einhalten von Abstandsflächen. 

  • Hat die bauliche Anlage während der Nutzungsdauer über einen gewissen Zeitraum hinweg den Vorgaben des materiellen Rechts entsprochen, so kann die Bauaufsichtsbehörde einen Bestandschutz trotz fehlender Bau- oder Nutzungsgenehmigung feststellen. Allerdings obliegt die Darlegung und der Beweis des Zeitpunkts der Genehmigungsfähigkeit dem Anspruchsteller.
  • Gelingt dem Anspruchsteller der Beweis, dass das Bauwerk während der Nutzungsdauer genehmigungsfähig war, dann kann er sich auf den Bestandschutz berufen.  
  • Ist anzunehmen, dass die bauliche Anlage in der Vergangenheit nicht den materiell-rechtlichen Vorgaben entsprochen hat, scheidet Bestandschutz aus. Es kann ein neuer Bauantrag gestellt werden. Die Genehmigungsfähigkeit richtet sich dann aber nach aktuellem Recht, also nicht nach dem zum Zeitpunkt des Baus oder Umbaus geltenden Recht.   

Insbesondere in einem allgemeinen oder reinen Wohngebiet ist zu beachten, dass es sich bei den Praxisräumlichkeiten grundsätzlich nicht um eine „Wohnung“ handeln darf. Das Betreiben einer Arztpraxis stellt ggf. eine Zweckentfremdung des Wohnraums dar und ist besonders riskant, weil bei Wohnungen erstmal geprüft werden muss, ob ein Betreiben eines Gewerbes möglich bzw. nach dem Bebauungsplan vorgesehen ist. 

Ausnahme Berlin

Allerdings gibt es z.B. in Berlin die Besonderheit, dass für dort belegene Wohnungen, welche seit längerem für gewerbliche oder berufliche sonstige Zwecke verwendet werden, das Zweckentfremdungsverbots-Gesetz (ZwVbG) Ausnahmen zulässt. Gem. § 2 Abs. 2 Nr. 2 wird eine Ausnahme von der Zweckentfremdung gemacht, sofern die entsprechenden Wohnungen bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1.5.2014 für gewerbliche Zwecke verwendet wurde und das bestehende Nutzungsverhältnis noch nicht beendet wurde. Demnach ist bei Wohnungen, welche vor dem 1.5.2014 als Arztpraxis verwendet wurden und noch immer und ohne Unterbrechung als solche verwendet werden, keine Zweckentfremdung anzunehmen.

Versicherungsrechtliche Auswirkungen

Nicht außer Acht zu lassen ist, dass die Gebäudeversicherung im Versicherungsfall die Zahlung im Hinblick auf ungenehmigte Umbauten verweigern kann, sollte für die versicherte bauliche Anlage keine Baugenehmigung vorliegen. 

Kauf- und mietrechtliche Auswirkungen

Werden Verträge über eine Immobilie geschlossen, wirkt sich das Fehlen einer Baugenehmigung grundsätzlich auch auf diese Verträge aus, da die Baugenehmigung zu der Beschaffenheit der Praxisräume gezählt wird. Das negative Abweichen von einer vereinbarten Beschaffenheit hat einen Sachmangel i.S.d. § 434 BGB zu Folge. Bei Vertragsschluss sollte deshalb die Beschaffenheit der Räume und deren Verwendungszeck dringend geregelt werden. Wird hier nicht explizit die spätere Verwendung der Räume als Zahnarzt- bzw. Arztpraxis vereinbart, kann dies schlimmstenfalls dazu führen, dass der Verkäufer oder Vermieter dem Arzt keine als solches nutzbare Praxisräumlichkeiten schuldet.   

Fehlt die Baugenehmigung beim Kauf einer Zahnarzt- bzw. Arztpraxis, liegt ein Sachmangel i.S.d. § 434 Abs. 3 Nr. 1 und 2 BGB vor. Dieser gibt dem Käufer die Möglichkeit, die Rechte nach § 437 BGB geltend zu machen. Demnach kann der Praxiskäufer gem. §§ 437 Nr. 1, 439 BGB Nacherfüllung, also die Mangelbehebung verlangen, gem. §§ 437 Nr. 2 BGB vom Vertrag zurücktreten oder den Kaufpreis mindern. Und auch ein Schadensersatzanspruch wegen anfänglicher Unmöglichkeit der Übereignung einer mangelfreien Praxis kann dann geltend gemacht werden, vgl. § 437 Nr. 3 BGB. Sollten bereits Investitionen in die Praxis geflossen sein, können diese als Ersatz vergeblicher Aufwendungen nach § 437 Nr. 3 BGB zurückgefordert werden. Zu beachten ist allerdings, dass dem Verkäufer i.d.R. zuerst ein Recht zur Nacherfüllung gewährt werden muss, § 440 BGB. Er muss also grundsätzlich angemessene Zeit erhalten, die Baugenehmigung zu erhalten. Gleiches gilt für den Vermieter bei Abschluss des Mietvertrages, §§ 535 ff. BGB. 

Verhängnisvoll kann hier ein vertraglicher Ausschluss der Gewährleistungsrechte werden. Denn ist die Sach- und Rechtsmängelgewährleistung (vgl. § 437 BGB) ausgeschlossen, hat der Praxiskäufer oder Mieter nur noch begrenzte Möglichkeiten, um sich zu behelfen, da die Rechte des § 437 Nr. 1-3 BGB nicht mehr ohne weiteres bestehen. Gem. § 444 BGB gilt ein Ausschluss der Gewährleistungsrechte nicht, wenn der Verkäufer den Mangel an der Sache arglistig verschwiegen hat. Arglistiges Verschweigen bedeutet das bewusste und vorsätzliche Darlegen oder Verschweigen von Tatsachen. Gleiches gilt, wenn der Verkäufer eine Garantie für die Beschaffenheit übernommen hat.   

Ein Rücktrittsrecht vom Praxiskaufvertrag kann sich dann z.B. aus der Kenntnis des Verkäufers über das Fehlen der Baugenehmigung zum Zeitpunkt des Kaufs ergeben, wenn der Verkäufer dies dem Käufer gegenüber verschweigt. Die Voraussetzungen begründen auch einen Anspruch des Käufers auf Ersatz des entstandenen Schadens.   

Gleiches gilt für den Vermieter bei Abschluss des Mietvertrages, §§ 535 ff. BGB. Allerdings hat der Mieter keinen Nacherfüllungsanspruch bei Sachmängeln. Er kann aber die Miete mindern § 536 BGB und in Fällen der notwendigen Selbstvornahme seine Aufwendungen ersetzt verlangen, § 536a BGB. Zudem gilt im Mietrecht die die verschuldensunabhängige Haftung für Mangel der Mietsache, § 536 Abs. 1 BGB. Da es sich bei einem Mietverhältnis um ein Dauerschuldverhältnis handelt ist der Vertrag zu kündigen, vgl. Rücktritt beim Kaufrecht.  

Aber auch bei Unkenntnis des Verkäufers oder Vermieters kann dies der Fall sein, wenn die Sach- und Rechtsmängel nicht im Kauf- oder Mietvertrag ausgeschlossen wurden oder es Sache des Käufers oder Mieters ist, die entsprechenden Genehmigungen selbst einzuholen. Das wird in Mietverträgen häufig so vereinbart. 

Neben der kaufrechtlichen Gewährleistung ist es möglich den Vertrag wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB anzufechten. Die Anspruchsbegründung stellt jedoch eine höhere Hürde auf. Für eine Anfechtung nach § 123 BGB muss ein Irrtum über die Beschaffenheit der Räumlichkeiten erregt oder aufrechterhalten werden und die Erregung bzw. Aufrechterhaltung des Irrtums muss arglistig, also im Wesentlichen vorsätzlich getätigt werden. Dies kann bereits der Fall sein, wenn der Täuschende mit der Möglichkeit der Unrichtigkeit seiner Angaben rechnet oder ins Blaue hinein unrichtige Behauptungen aufstellt. Tatsachen werden insbesondere dann verschwiegen, wenn der Handelnde eine Aufklärungspflicht hat. Aufklärungspflichten bestehen bei besonders relevanten und entscheidenden Eigenschaften der Sache, die im schlimmsten Fall zu wirtschaftlichen Schäden des Vertragspartners führen können und über die Frage des Vertragsschlusses entscheiden können. Spätestens entsteht eine solche Pflicht zur Aufklärung aber mit der entsprechend gestellten Frage durch den Käufer oder Mieter.

Das Fehlen einer Baugenehmigung stellt ein erhebliches wirtschaftliches Risiko für einen Praxiskäufer dar, wenn dieser auf des Bestandschutz der Räumlichkeiten als Arztpraxis vertraut, da die Praxis ohne Baugenehmigung nicht betrieben werden darf und keine Gewissheit besteht, ob eine Baugenehmigung überhaupt erteilt wird. Die Erklärung der Anfechtung ist binnen eines Jahres nach Kenntniserlangung über die Umstände möglich, § 124 Abs. 1 und 2 BGB. 

Möglichkeiten von Anfechtung oder Vetragsrücktritt

Nach § 119 II BGB kann eine Anfechtung zudem wegen Eigenschaftsirrtum erklärt werden, wenn beim Kauf der Praxis über eine verkehrswesentliche Eigenschaft der Räumlichkeiten wie z.B. der Baugenehmigung geirrt wird. Verkehrswesentliche Eigenschaften sind solche, die über die Wertigkeit der Sache entscheiden. Allerdings muss die Anfechtung gem. § 121 BGB unverzüglich erfolgen. Gegebenenfalls ist aber Schadenersatz zu leisten, wenn der Verkäufer auf die Gültigkeit der Erklärung vertrauen durfte, § 122 BGB. Den vertraglichen Gewährleistungsrechten ist in diesem Zuge jedoch Vorrang zu gewähren.  

Ändern sich schwerwiegende Umstände die grundlegend für ein Rechtsgeschäft, also z.B. bei einem Kauf- oder Mietvertrag, sind, ist die Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB denkbar. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass sich die Umstände nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben (§ 313 Abs. 1 BGB) oder ein gemeinsamer Motivirrtum (§ 313 Abs. 2 BGB) vorliegt und die veränderten Umstände nicht Vertragsinhalt geworden sind. Zusätzlich dürfte der Vertrag mit Voraussicht auf solche Änderungen nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen wurden sein, sodass das Festhalten am Vertrag mindestens einer Partei unzumutbar ist. Sind die Voraussetzungen gegeben ist es möglich nach § 313 Abs.1 BGB den Vertrag entsprechend anzupassen. Ist eine Anpassung des Vertrages nicht möglich steht der benachteiligten Partei eine Recht zum Rücktritt vom Vertrag oder im Falle eines Dauerschuldverhältnisses das Recht zur Kündigung zu, vgl. § 313 Abs  

§ 313 BGB findet allerdings keine Anwendung, wenn die Störung bzw. schwerwiegende Umstandsänderung ein von einer Partei zu tragendes Risiko verwirklicht sowie neben vertraglichen Gewährleistungsrechten (vgl. §§ 434 ff., 536 ff., 633 ff. BGB) und zwar auch, wenn Mängelgewährleistungsansprüche wirksam ausgeschlossen wurden oder verjährt sind

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Lösungsansätze und Prävention

Um die Gründung einer Praxis sowie den Übergang einer bestehenden Praxis so reibungslos wie möglich zu gestalten, sollten Fachplaner frühzeitig eingebunden werden. Hier könnten unter anderem Beratung durch einen Architekten, Rechtsanwalt oder auch durch Zahnärzte- bzw. Ärztekammern in Betracht kommen.  

Vor baulichen Maßnahmen und einer geplanten Nutzungsänderung sollte unbedingt Kontakt mit dem zuständigen Bauamt aufgenommen werden. Auch die vertraglichen Rahmenbedingungen sollten geprüft werden. Insbesondere im Falle eines Praxisverkaufs ist darauf zu achten, ob der Verkäufer Eigentümer der Räumlichkeiten ist. Ist dies nicht der Fall, sollte bereits vor Abschluss eines Kaufvertrages beim Eigentümer, in der Regel dann dem Vermieter, geklärt werden, ob eine Baugenehmigung vorliegt oder Bestandschutz besteht. 

Verfasst von

Thomas Bischoff Rechtsanwalt 550

Thomas Bischoff
Rechtsanwalt

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