Was passiert mit dem Urlaubsanspruch während des Mutterschutzes und der Elternzeit? Wenn ein Teammitglied in der Praxis in Elternzeit geht, bleibt der Urlaubsanspruch im Grunde bestehen, allerdings sind dabei einige Besonderheiten zu beachten.
Nach dem Bundesurlaubsgesetz hat jeder Arbeitnehmer einen gesetzlichen Mindest-Urlaubsanspruch von 20 Arbeitstagen im Kalenderjahr (gerechnet auf eine Fünf-Tage-Woche). In vielen Fällen erhalten Arbeitnehmer nach dem Arbeitsvertrag mehr, wie beispielsweise 30 Urlaubstage.
Für den vertraglichen Zusatzurlaub kann der Arbeitgeber abweichende Regelungen treffen. Es wird unterstellt, dass in dem Arbeitsvertrag keine Regelung getroffen wurde. Unterscheidet der Arbeitsvertrag nicht zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und den vertraglichen Zusatzurlaub, gelten die gesetzlichen Regeln für den gesamten Urlaubsanspruch.
Beispiel: Stehen laut Arbeitsvertrag 30 Tage Urlaub im Jahr zu, entsteht der volle Jahresurlaub immer zu Beginn eines Kalenderjahres. Dies gilt auch während der Elternzeit (BAG, Urteil v. 17.05.2011, 9 AZR 197/10).
Wenn während der Schwangerschaft aufgrund eines Beschäftigungsverbotes und wegen der Mutterschutzfristen (6 Wochen vor der Geburt und 8 Wochen nach der Geburt) nicht gearbeitet werden kann, hat dies keinen Einfluss auf den Urlaubsanspruch im Kalenderjahr. Der Anspruch auf Urlaub entsteht jeweils am 1. Januar eines Kalenderjahres bereits in voller Höhe (BAG, Urteil v. 14.03.2017, 9 AZR 7/16). Für den Urlaubsanspruch ist es unerheblich, ob die Arbeitnehmerin die Arbeitsleistung erbringen kann. Maßgeblich ist allein der rechtliche Bestand des Arbeitsverhältnisses. § 24 Satz 1 Mutterschutzgesetz stellt zudem ausdrücklich klar, dass Ausfallzeiten durch mutterschutzrechtliche Beschäftigungsverbote als Beschäftigungszeiten gelten.
Sofern der Urlaub vor Beginn des Mutterschutzes nicht oder nicht vollständig genommen werden konnte, verfällt der Urlaub nicht. Vielmehr ordnet das Mutterschutzgesetz (§ 24 Satz 2 MuSchG) an, dass der Resturlaub nach Ablauf der Mutterschutzfristen im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr noch besteht.
In den meisten Fällen schließt unmittelbar an die 8-wöchige Mutterschutzfrist die Elternzeit an. In diesem Fall wird restlicher Urlaub vor der Elternzeit auf die Zeit nach dem Ende der Elternzeit übertragen (§ 17 Abs. 2 BEEG). Von dieser Regelung wird auch der Urlaub erfasst, der wegen der Beschäftigungsverbote oder Mutterschutzfristen nicht genommen werden konnte. Auch bei diesem Urlaub handelt es sich um Urlaub, der vor Beginn der Elternzeit nicht gewährt werden konnte (BAG, Urteil v. 15.12.2015, 9 AZR 52/15).
Sofern die Arbeitnehmerin im unmittelbaren Anschluss an eine erste Elternzeit für ein weiteres Kind eine zweite Elternzeit in Anspruch nimmt, wird der Resturlaub vor Beginn der ersten Elternzeit bis zum Ende der zweiten Elternzeit übertragen (BAG. Urteil v. 20.05.2008, 9 AZR 219/07).
Die Übertragung erfolgt automatisch. Die Vorschrift des § 17 Abs.2 BEEG stellt sicher, dass die Inanspruchnahme von Elternzeit nicht zum Verfall des Erholungsurlaubs führt (BAG, Urteil v. 20.05.2008, 9 AZR 219/07).
Die Elternzeit hat keinen Einfluss auf den Urlaubsanspruch. Auch wenn das Arbeitsverhältnis aufgrund der Elternzeit ruht, bleibt es bei dem vollen Jahresurlaub. Die Elternzeit wirkt sich nicht urlaubsschädlich aus (BAG, Urteil v. 23.01.2018, 9 AZR 200/17).
Sollte die Arbeitnehmerin im Anschluss an die Elternzeit wegen einer folgenden Schwangerschaft erneut in Elternzeit gehen, wird ihr restlicher Urlaubsanspruch nach § 17 Abs. 2 BEEG ebenfalls auf die Zeit nach der zweiten Elternzeit übertragen (BAG, Urteil v. 20.5.2008, 9 AZR 219/07).
Der Arbeitgeber ist jedoch berechtigt, den Urlaubsanspruch (in der Elternzeit) für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel zu kürzen (§ 17 Abs. 1 BEEG). Er kann den Urlaub kürzen, muss von diesem Recht aber keinen Gebrauch machen. Die Kürzung des Urlaubs erfolgt jedoch nicht automatisch, sondern bedarf einer Erklärung durch den Arbeitgeber.
Die Kürzung des Urlaubsanspruchs muss der Arbeitgeber nicht zwingend vor Antritt der Elternzeit erklären. Die Erklärung kann er auch noch während oder nach der Elternzeit vornehmen. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist eine Kürzung des Urlaubsanspruchs jedoch nicht mehr möglich (siehe unten).
Beginnt oder endet die Elternzeit im Laufe eines Kalendermonats, so ist für diesen Monat der Urlaub nicht zu kürzen. Es müssen immer volle Kalendermonate sein. Ergeben sich durch die Kürzung Bruchteile von Urlaubstagen, sind diese weder auf- noch abzurunden, sondern voll als 1 Tag zu gewähren. Die Regelung in § 5 Abs. 2 BUrlG, die eine Rundung von Urlaubsansprüchen vorsieht, gilt nur für den gesetzlichen Teilurlaub nach § 5 Abs. 1 BUrlG. Sie enthält aber keinen allgemeinen Rechtssatz (BAG, Urteil v. 23.01.2018, 9 AZR 200/17).
Fall 1: Eine Angestellte hat 30 Urlaubstage im Kalenderjahr und hat vom 23.06.2025 bis 29.01.2026 Elternzeit.
Der Arbeitgeber darf nur für die vollen Kalendermonate der Elternzeit Juli 2025 bis Dezember 2025 Urlaubsanspruch um 6/12, also um (30 : 12 x 6) = 15 Tage kürzen. Für den Zeitraum steht der Arbeitnehmerin damit 2025 noch ein Resturlaub von 15 Tagen zu.
Fall 2: Beschäftigungsverbot bzw. Mutterschutz ab 10.03.2025, Elternzeit ab dem 11.10.2025 bis auf weiteres.
Der Arbeitgeber darf nur für die vollen Kalendermonate der Elternzeit November 2025 bis Dezember 2025 Urlaubsanspruch um 2/12, also um 5 Tage kürzen. Für 2025 steht der Arbeitnehmerin damit noch ein Resturlaub von 25 Tagen zu.
Wenn die Arbeitnehmerin den Resturlaub (im Beispiel 2025) bis zum Beginn der 6-wöchigen Mutterschutzfrist nicht mehr nehmen konnte, so werden diese Urlaubstage automatisch in das laufende Jahr nach dem Ende der Elternzeit oder in das darauf folgende Jahr übertragen (§ 17 Abs. 2 BEEG).
Die Arbeitnehmerin könnte ihren restlichen Urlaub somit noch bis zum Ende des Folgejahres nach der Elternzeit nehmen.
Wenn das Arbeitsverhältnis beendet wird, gilt der Grundsatz das Resturlaubsansprüche abzugelten sind.
Sollte das Arbeitsverhältnis in der Elternzeit oder zum Ende der Elternzeit enden, muss der Arbeitgeber den restlichen Urlaubsanspruch nach § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz abgelten.
Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist der Urlaubsabgeltungsanspruch entstanden. Der Arbeitgeber ist dann nicht mehr berechtigt, den Urlaubsanspruch für die Dauer der Elternzeit nachträglich zu kürzen (BAG, Urteil v. 19.05.2015, 9 AZR 725/13).
Die Kürzung kann noch innerhalb der Kündigungsfrist erklärt werden, danach besteht keine Möglichkeit mehr eine Kürzung auszusprechen.
Hierzu sind folgende Kernaussagen zu einem aktuellen Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 16. April 2024 (Az. 9 AZR 165/23) relevant:
Dieses Urteil stärkt die Rechte von Arbeitnehmenden erheblich – insbesondere von Eltern, die über längere Zeiträume in Elternzeit waren. Arbeitgeber müssen aktiv und rechtzeitig eine Kürzung erklären, sonst bleibt der Urlaubsanspruch bestehen und ist ggf. auszuzahlen.
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