Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) dringt immer weiter in das Behandlungsverhältnis zwischen Zahnarzt und Patient vor. Neben den zivilrechtlichen Ansprüchen auf Vorlage der elektronischen Patientenakte machen Patienten immer häufiger Ansprüche aus Art. 15 DSGVO auf Übermittlung ihrer personenbezogenen Daten geltend. Diese Ansprüche sind aber nicht deckungsgleich, wenngleich sie sich teilweise überschneiden.
Hierdurch bestehen in der Praxis erhebliche Unsicherheiten, wie diese verschiedenen gesetzlichen Ansprüche von dem Zahnarzt zu erfüllen sind. Entscheidungen des EUGH (Urteil vom 04. Mai 2023 Az. C-487/21) hierzu sind zum Teil nur schwer verständlich und vor kurzem hat ein Urteil des OLG Köln (OLG Köln, Urteil vom 10.08.2023 – 15 U 184 / 22 RN 24) zur Rechtsfrage weitere Verunsicherung gebracht, weil es von einigen Anwälten unzulässigerweise verallgemeinert wurde, obgleich ein Spezialfall vorlag.
Immerhin kann es in Ausnahmefällen geboten sein, auch die interne Korrespondenz mit Dritten nach Art. 15 DSGVO vorzulegen. Dies geht aber wohl nicht so weit, dass die interne Korrespondenz mit der Berufshaftpflicht oder der Abrechnungsstelle vorgelegt werden muss.
Hierzu hat das Landgericht Köln am 14. Mai 2025 (AZ: 3 O 4/25) mit einem vom Unterzeichner erstrittenen Urteil Licht ins Dunkle gebracht.
Die Patientin war mit einer vorgenommenen Zahnersatzbehandlung nicht zufrieden und forderte den Zahnarzt mit anwaltlichem Schreiben zur Herausgabe von Kopien der Behandlungsunterlagen auf. Der Beklagte erfüllte diesen Anspruch. Die Patientin war jedoch der Auffassung, dass die Behandlungsunterlagen nicht vollständig seien. Es gab verschiedene Abdrücke von dem Gebiss der Patientin, die der Zahnarzt vernichtet hat, da er diese nicht an das Labor gesendet hat. Nach eigenen Angaben verfügte er nur noch über ein Modell, das er dann in Kopie an die Anwälte der Klägerin übersendete.
Die Patientin erhob daher Klage auf Vorlage der Behandlungsunterlagen. Im Verlauf des Prozesses erklärte der Vertreter des Zahnarztes gegenüber dem Prozessbevollmächtigten der Patientin, dass sämtliche Unterlagen übersandt worden seien und sich keine weiteren Modelle bei dem Zahnarzt befinden.
Die Patientin behauptete jedoch weiterhin, die übersandten Behandlungsunterlagen seien unvollständig. Es würden die weiteren gefertigten Modelle fehlen.
Hinsichtlich des erst im Gerichtsverfahren geltend gemachten Auskunftsanspruches nach § 15 DSGVO hat der Zahnarzt das Musterdokument „Auskunftsrecht betroffener Personen gegenüber Arztpraxen“ des Hessischen Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (HBDI) vollständig ausgefüllt. Hinsichtlich der Abrechnungsstelle und der Berufshaftpflicht legte er jedoch die interne Korrespondenz im Prozessverlauf nicht vor.
Konkret beantragte die Patientin bei Gericht,
1. den Zahnarzt zu verurteilen, an die Patientin Fotokopien der vollständigen und unzensierten Behandlungsunterlagen nebst sämtlichen Modellen und sämtlichen Röntgenaufnahmen und sonstigen bildgebenden Aufnahmen betreffend die zahnärztliche Behandlung der Klägerin herauszugeben;
2. den Zahnarzt zu verurteilen, der Patientin die Dokumentation des EDV-Dienstleisters vorzulegen, der zu entnehmen ist, wann welche Einträge in den
Behandlungsunterlagen der Klägerin erfolgt bzw. ob, wann und durch wen welche nachträglichen Änderungen, insbesondere Löschungen, an der elektronisch geführten Behandlungsdokumentation erfolgt sind;
3. den Zahnarzt darüber hinaus zu verurteilen, der Klägerin eine vollständige Datenauskunft gemäß Art. 15 DSGVO zu erteilen, insbesondere zu den an die Haftpflichtversicherung des Beklagten und die Abrechnungsgesellschaft übermittelten personenbezogenen Daten der Klägerin abzüglich der vom Beklagten übersandten Behandlungsunterlagen.
Die Patientin erhoffte neben der Vorlage weiterer Modelle den Zahnarzt einer Manipulation der Patientenakte zu überführen und wollte insbesondere Einblick in die interne Korrespondenz mit der Abrechnungsgesellschaft und der Haftpflicht des Zahnarztes. Letzteres hätte ihr Kenntnisse zur Sachverhaltsschilderung des Zahnarztes gegenüber diesen beide Stellen gebracht.
Das Landgericht Köln hat diese Klage insgesamt abgewiesen.
Da der Zahnarzt Behandlungsunterlagen vorgelegt hat und zudem erklärte, er habe eine Kopie sämtlicher Behandlungsunterlagen übersendet, hat das Gericht auf Grund dieser Erklärung die Erfüllung des zivilrechtlichen Anspruchs nach § 630 g BGB festgestellt. Damit war der erste Antrag abzuweisen.
Den Anspruch auf Herausgabe der Dokumentation des EDV-Dienstleisters, wonach ggf. nachträgliche Änderungen der Dokumentation hätten festgestellt werden können, hat das Gericht ebenfalls abgewiesen, da insoweit keine Anspruchsgrundlage bestehe. Zwar habe der Bundesgerichtshof (Urteil vom 27. April 2021 – VI ZR 84/19 –, BGHZ 229, 331-344, Rn. 28), entschieden, dass im eigentlichen Haftungsprozess einer elektronischen Dokumentation, die nachträgliche Änderungen nicht kenntlich macht, keine positive Indizwirkung hinsichtlich der tatsächlichen Durchführung von dokumentierten Maßnahmen zukommt. Dies führe aber nicht zu einem selbständigen Anspruch auf Herausgabe der Dokumentation des EDV-Dienstleisters. (Die Frage wird aber in einem eventuellen Haftungsprozess von Bedeutung werden, denn dann muss der Zahnarzt darlegen, dass die elektronische Dokumentation fälschungssicher ist.)
Den Auskunftsanspruch nach § 15 DSGVO sah das Gericht ebenfalls durch die Übersendung des ausgefüllten Musters des Hessischen Beauftragen für Datenschutz und Informationsfreiheit als erfüllt an.
Der Zahnarzt hat damit Auskunft über die verarbeiteten Daten sowie die jeweiligen Empfänger der Daten und den Zweck der Datenverarbeitung bzw. Datenübermittlung erteilt. So hat der Beklagte sowohl die Abrechnungsstelle benannt und mitgeteilt, dass an diese personenbezogenen Daten zwecks Erstellung der Rechnung vom 25.08.2023 und 19.01.2024 übersandt worden seien, als auch die Haftpflichtversicherung benannt, an die personenbezogene Daten aufgrund einer Schadensmeldung vom 15.05.2024 übersandt worden seien.
Anders als in der von der Patientin zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln (Urteil vom 10.08.2023, I-15 U 184/22), hat der Beklagte im vorliegenden Fall auch nicht – ausgehend von einer unrichtigen Rechtsauffassung – deutlich gemacht, dass er bestimmte geschuldete Auskünfte nicht erteilen wolle. Der Beklagte hat im Rahmen seines Vortrages lediglich erklärt, dass eine tatsächliche Vorlage von Auszügen interner Kommunikation bzw. eine Reproduktion der Kommunikation nicht erfolge, da dies nur in Ausnahmefällen geboten sei. Dies war aus Sicht des Gerichts unschädlich.
Aus Sicht des Gerichts ergibt sich aus Art. 15 DSGVO jedoch nur ein Anspruch auf Auskunft darüber, ob personenbezogenen Daten im Rahmen dieser internen Kommunikation verarbeitet bzw. weitergegeben wurden. Nicht erfasst ist jedoch ein grundsätzlicher Anspruch auf Herausgabe von Kopien sämtlicher (interner) Kommunikation. Eine solche Vorlage ist nach der Rechtsprechung des EuGH lediglich erforderlich, wenn sich dies als unerlässlich erweist, so wenn die Kontextualisierung der verarbeiteten Daten erforderlich ist, um ihre Verständlichkeit zu gewährleisten. Eine Unerlässlichkeit der tatsächlichen Vorlage der internen Kommunikation – was über eine Auskunft über die im Rahmen der internen Kommunikation verarbeiteten Daten hinausginge – ist aus Sicht des Gerichts im vorliegenden Fall nicht erkennbar.
Im Übrigen würde – bei Unterstellung eines Anspruchs auf Herausgabe von Kopien sämtlicher interner Kommunikation mit Haftpflichtversicherer und Abrechnungsgesellschaft Art. 15 Abs. 4 DSGVO einem solchen Anspruch entgegenstehen. Denn bei einer pauschalen Verpflichtung zur Herausgabe z.B. sämtlicher Kommunikation mit dem Haftpflichtversicherer, wäre eine erfolgsversprechende Rechtsverteidigung im Falle eines Klageverfahrens erheblich beeinträchtigt. So z.B., wenn intern ein negatives Gutachten vorläge, was der Behandler dann gegenüber dem Patienten offenbaren müsse.
Für die Abwehr von Haftungsklagen ist eine, ordnungsgemäße Dokumentation unverzichtbar. Diese ist u.a. Grundlage für die Entscheidung im Haftpflichtverfahren. Sofern diese fälschungssicher ist, wird das mit dem Haftpflichtfall betraute Gericht bis zum Beweis des Gegenteils der Dokumentation des Zahnarztes in der Patientenakte Glauben schenken.
Die Klage auf Herausgabe einer elektronischen Kopie der Patientenakte dient dem ggf. folgenden Haftpflichtverfahren des Patienten gegen den Zahnarzt. Im Verfahren auf Herausgabe der Patientenakte muss der Zahnarzt vortragen, dass er alles, was sich in der Patientenakte befindet, vollständig als elektronische Abschrift vorgelegt hat.
Der Patient hat aber keinen Anspruch auf Vorlage einer Bescheinigung des EDV-Dienstleisters, wonach die Patientenakte fälschungssicher sei, dass also nachträgliche Änderungen vom Programm kenntlich gemacht werden. Im Prozess um die Herausgabe der Patientenakte muss der Zahnarzt dies jedoch noch nicht beweisen. Die Fälschungssicherheit wird aber im folgenden Haftpflichtfall von entscheidender Bedeutung, falls der Patient den Einwand führt, die Dokumentation sei nicht fälschungssicher.
Der daneben bestehende Anspruch aus Art. 15 DSGVO muss vom Zahnarzt auch erfüllt werden und das oben zitierte Muster des Hessischen Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit war für das Gericht völlig ausreichend. Es muss also nicht auch die interne Korrespondenz mit der Haftpflicht oder Abrechnungsstelle vorgelegt werden.
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